Welche Sinneswahrnehmungen werden für das Lesen und Schreiben benötigt?

von | 03.11.22 | Legasthenie | 0 Kommentare

Beim Lesen, Schreiben und Rechnen lernen werden mehrere Sinneswahrnehmungen benötigt. Wir müssen die Symbole (Zahlen und Buchstaben) sehen, hören und verstehen können

Rechtschreibung lernen

Welche Teilleistungen oder Funktionen werden benötigt?

Beim Sehen müssen wir diesen einen Buchstaben aus einer Masse von Buchstaben heraus erkennen und begreifen lernen, dass dieser eine Buchstabe ein „b“ und nicht ein „d“ ist.  

Beim Hören eines Wortes müssen wir genau heraushören, dass das Wort „klein“ mit einem „k“ und nicht einem „g“ gesprochen und folglich auch mit einem „k“ geschrieben wird.

Beim Verstehen muss unser Gehirn das Wort „Hund“ auf dem Blatt Papier auch zu einer Symbolfolge H – U – N – D bilden und dann den tatsächlichen Begriff Hund daraus bilden und im Kopf sehen. Für diese Abfolge wird auch noch die Sinneswahrnehmung „Raumwahrnehmung“ und „Körperlichem“ benötigt.

Das sind also die visuellen, auditiven und räumlichen Sinneswahrnehmungen, Teilleistungen oder auch Funktionen genannt, die ein Kind generell braucht, um Lesen und Schreiben lernen zu können. Im Regelfall klappt das auch bei Kindern ohne Legasthenie oder LRS problemlos mit Übungen und dem normalen Schulangebot.

Was aber, wenn das Kind nicht klarkommt? Wenn man merkt, dass es einfach nicht klappt mit dem Lesen und Schreiben. Egal, wie oft man übt, ob mit Unterstützung, mit Nachhilfe, mit vermehrtem Lernen. Das Kind schreibt und liest weiterhin schlecht. Dann fallen solche Begriffe wie Legasthenie und Lese-Rechtschreibschwäche seitens der Schule.

Legasthene Menschen haben eine differenzierte Sinneswahrnehmung

Und wie passt das zusammen? Legasthene Menschen haben eine besondere Informationsverarbeitung beim Buchstaben erlernen. Dies liegt in der Verarbeitung ihrer Sinneswahrnehmungen.

Frau Dr. Astrid Kopp-Duller vom EÖDL (Ersten Österreichischen Dachverband Legasthenie) schrieb 1995 dazu folgende Definition:

„Ein legasthener/dyskalkuler Mensch, bei guter oder durchschnittlicher Intelligenz, nimmt seine Umwelt differenziert anders wahr, seine Aufmerksamkeit lässt, wenn er auf Symbole wie Buchstaben oder Zahlen trifft nach, da er sie durch seine differenzierte Teilleistungen anders empfindet als  nicht legasthene/dyskalkule Menschen. Dadurch ergeben sich Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens, Schreibens oder Rechnens“.

Wir sprechen bei legasthenen Menschen also von einer „differenzierten Sinneswahrnehmung“, weil das Gehirn diese Sinneswahrnehmungen anders verarbeitet. Dies ist genetisch bedingt und bleibt auch ein Leben lang. Legasthene Menschen nehmen Buchstaben also anders wahr und sind auch zeitweise unaufmerksam, wenn sie auf Zahlen und Buchstaben treffen.

Man bedenke dabei, dass die Kinder die Schreib- und Lese-Leistungen ja nicht immer im stillen Kämmerlein erlernen, sondern in einem überfülltem, lauten Klassenzimmer. Dies setzt legasthenen Kindern ganz besonders zu.

Frau Dr. Jitka Scharinger und Herr Volksoberschullehrer Friedrich Scharinger haben mal ausführlich und sehr eindrucksvoll beschrieben, wie ein Kind mit den Sinneswahrnehmungen in einem Klassenraum lernen muss:

„Zuerst muss das Kind die Stimme des Lehrers aus allen anderen Geräuschen herausfiltern. Dafür wird die akustische Differenzierung benötigt. Das Kind muss sich das Gehörte merken können und es auch verstehen. Dafür benötigt man das akustische Gedächtnis. Anschließend muss der Satz in einzelne Worte und das Wort in einzelne Laute zerlegt werden. Da spricht man von einer akustischem Serialität. Dabei muss das Kind auch die ähnlich klingenden Laute voneinander unterscheiden können. Nun folgt das Umdenken der Laute in die richtigen Buchstaben. Dabei dürfen ähnlich aussehende Buchstaben nicht miteinander verwechselt werden. Hierfür braucht das Kind die Funktion der optischen Differenzierung und des optischen Gedächtnisses und der Raumwahrnehmung. Dann müssen die Buchstaben der jeweiligen Wörter in die richtige Reihenfolge gebracht werden. . Das Kind muss die richtige Schreibbewegung mit der Hand ausführen. Da greift die optische Serialität und die Raumwahrnehmung. Schließlich muss das Kind die verschiedenen Bedeutungen Hauptwort – Zeitwort – oder die Beziehung der einzelnen Wörter im Satz erkennen. Dafür wird da optische Gedächtnis benötigt.“ (Quelle: Der legasthene Mensch, Dr. Astrid Kopp-Duller, Seite 51).

Lasse dein Kind nicht allein damit

Nun stell dir vor, dein Kind hat auch nur in einer dieser genannten Sinneswahrnehmungen Schwierigkeiten? Tagtäglich muss es sich dieser Herausforderung stellen. Es versucht mitzukommen, es versucht, ruhig zu bleiben in einem lauten Klassenzimmer, mit dem Blick des Lehrers auf sich gerichtet, aber es möchte einfach nicht klappen.

Und dann kommt es nach Hause und sucht eigentlich nur Trost und Zuwendung. Es sucht Verständnis für sich und den Stress, den es fühlt. Aber auch da findet er keine Unterstützung. Es hagelt Kritik. Es regnet Verbote. Es spürt Druck und Verzweiflung. Und das Kind muss lernen. Und lernen. Und wieder am Schreibtisch sitzen und mehr machen als seine Klassenkamerad:innen, die alle draußen spielen dürfen.

Sag du mir. Wie würdest du dich dabei fühlen? Wundert es sich dann noch, dass dein Kind immer fahriger, unkonzentrierter oder sogar aggressiver wird? Am Ende wird es sich zurückziehen. Rausziehen aus der Schule. Vielleicht sogar aus allem,…

Wenn du Hilfe und Unterstützung suchst, schau dich doch mal um auf meiner Seite: https://lies-dich-stark.de. Vielleicht ist ja etwas Passendes für euch als Familie da.

Ich freue mich auf euch.

Eure Erika